TeleSchach : Schach aktuell

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Blinde und PC's - wie geht das ?

Inhaltverzeichnis

Gestaltungsregeln
Anton Lindenmair
Dieter Bischoff
Hector 7
Gert Schulz
Video zum Blindenschach

Welche Gestaltungsregeln sollten Webdesigner beachten, damit auch unsere blinden Freunde im weltweiten Internet sich an den diversen Aktivitäten beteiligen können?

Es gibt brauchbare Ansätze, um den Blinden zu helfen, wie z.B. Programme zum Vorlesen und für die Umsetzung des Bildschirminhaltes in Blindenschrift.

Anton Lindenmair, ein blinder Schachspieler, schreibt : "... Beide Lösungen funktionieren am besten, wenn der Bildschirminhalt als reiner Text interpretiert werden kann, da so eine echte Eins-zu-Eins- Darstellung möglich ist, und der blinde PC-Benutzer auch über Informationen der Bildschirmstruktur verfügt. Damit wird auch verständlich, warum Blinde Schwierigkeiten mit den meist graphischen Benutzeroberflächen der neuen Betriebssysteme haben."

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Anton Lindenmair, Augsburg

Anton Lindenmair beweist, dass sich Blinde sehr wohl im Internet zurechtfinden können. Er erblindete 1967 und wechselte auf eine Blindenschule, die er erfolgreich 1974 mit der Mittleren Reife abschloss. Danach absolvierte er im BFW Heidelberg die Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann, die er im April 1976 mit der Prüfung vor der IHK beendete. Seit Mai 1976 arbeitet er als Programmierer bei den Stadtwerken Augsburg.

Seine Hobbies sind Schach und der PC. Seit Februar 1998 macht er seine ersten Gehversuche im Internet. Inzwischen baute er sich eigene Homepage , wo er folgende Themen behandelt:

Anton Lindenmair gibt Hinweise, welche Möglichkeiten und Probleme bestehen. Er schreibt: "Daneben wäre ein solches Projekt für mich nicht denkbar, ohne die guten Ratschläge und Hilfestellungen von anderen Blinden, die mir auf dem Weg zu einer eigenen Homepage schon ein Stück voraus gegangen sind."

Zu seinem Hobby Schach ist zu sagen, dass er ein international bekannter und starker Schachspieler ist. Seit 1985 nimmt er ohne Unterbrechung an den Einzelmeisterschaften des Deutschen Blindenschachbundes teil. Höhepunkte waren die Teilnahme an der Blindenschacholympiade der IBCA (International Braille Chess Association) 1985 in Benidorm (Spanien) und am Weltcup 1998 in Logrono (Spanien). Daneben nimmt er auch an Schachturnieren teil, bei denen er sich mit sehenden Schachfreunden messen kann. Das Turnier in Bad Wörishofen (15. Schachfestival) hat einen festen Platz in seinem Terminkalender, so auch das 25. ChessOrg Schachfestival, wo untenstehendes Foto von ihm entstand.

Anton Lindenmair
Foto: Gerhard Hund
Anton Lindenmair zu Beginn der dritten Runde am 7. März 2009 in Bad Wörishofen:
- Vor ihm steht sein spezielles Schachspiel, mit der jeweils aktuellen Stellung.
- Davor das Brett des Gegners und die Schachuhr (ohne Glas, damit Anton die Zeiger fühlen kann).
- Hinten sieht man Antons Schreibmaschine, womit er die Partie in Blindenschrift notiert.

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Dieter Bischoff, Heidelberg

Dieter Bischoff, Deutscher Blindenschachmeister 2003 und Teilnehmer an der Europameisterschaft 2003 in Mondariz, bringt auf seiner Schachhomepage ebenfalls Informationen sowie Berichte, Fotos und Ergebnisse zu verschiedenen Veranstaltungen.

Im Dezember 1950 wurde Dieter Bischoff in Ratingen geboren. Ende der siebziger Jahre verschlechterte sich sein Sehvermögen dramatisch, so dass er 1982 eine Umschulung zum Informatiker an der Fachhochschule Heidelberg begann.

Im Jahr 2010 ging Dieter eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein und nahm den Nachnamen seines Freundes an (siehe auch Dieter Riegler bei Wikipedia).

Dieter Riegler
Foto: Gerhard Hund Das Foto auf der rechten Seite zeigt Dieter Riegler bei der Vorrunde zur Deutschen Amateurmeisterschaft 2013/14 in Bad Soden.

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Am 3. November 2008 schreibt Anton Lindenmair an TeleSchach:

Hochgefühl auf Hektor 7
(Quelle: Focus Nr. 41/2008)
(Von FOCUS-Redakteur Axel Wolfsgruber)

Er weiß nicht, dass er heute ein Hemd mit wirrem Muster trägt. Nur, dass es angenehm weich ist. Er weiß nicht, dass die Strauchrose auf seinem Balkon orangefarben ist. Nur, dass sie so herrlich duftet. Wenn er in seinem Arbeitszimmer am Computer Schach übt, schaltet er den Bildschirm aus, um Strom zu sparen, während der Lautsprecher die Zugfolge so rasant herauspresst, als würde er ein Tonband im Vorspulmodus abhören. Dieter Bischoff ist einer der besten Schachspieler Deutschlands. Nur sieht er die 64 Felder und 16 Figuren nicht. Er fühlt sie. Auf den schwarzen Figuren stecken Nägel, die weißen Felder liegen etwas tiefer als die schwarzen. Bischoffs schmale Hände gleiten über Bauern, Springer und Könige wie jene geübter Pianisten über die Tasten.

Der Rest ist Vorstellungskraft. Der 57-Jährige spielt im Kopf. Die vier Millionen fremden Schlachten, die er auf der Festplatte seines Computers gespeichert hat, und etwa 1000 eigene, die er selbst auf Turnieren geschlagen hat. "Am liebsten würde ich ohne Brett spielen", sagt er.

Der Heidelberger ist achtfacher Deutscher Meister, hat je dreimal die nationale Fernschach- und die Schnellschach-Meisterschaft der Blinden gewonnen. Die Spieler nennen ihn den Bayern München des Blindenschachs. "Er hat das Eröffnungswissen, das Titelträger brauchen", sagt Klaus-Jörg Lais vom Deutschen Schachbund. Auf Turnieren der Sehenden erzielt er erstaunliche Resultate, agiert auf dem Niveau deutscher Drittligaspieler, besiegt mitunter Großmeister.

Noch bis zum 29. Oktober läuft die "Blindenschacholympiade" auf Kreta. Zwei Dutzend Nationalteams und 120 Spieler treten an. Einmal errang Bischoffs Mannschaft, die sich aus den besten der rund 400 deutschen Blindenspieler zusammensetzt, bereits Bronze.

Bischoff wird alles so machen wie immer. Die Wasserflasche wird links zu seinen Füßen stehen. Links vor ihm auf dem Tisch die Uhr ohne Glas, mit der er die verbleibende Spieldauer an den Zeigern ertastet. Vor ihm sein spezielles Brett, auf dem er die Figuren - alle Züge sind von den Spielern laut anzusagen - in kleinen Löchern verankert. Blinde brauchen absolute Ordnung.

In seiner Heidelberger Wohnung nahe der Fußgängerzone, die er gemeinsam mit seinem beinamputierten Freund Karl-Heinz Riegler, 45, bewohnt, hat alles seit Jahren einen festen Platz. Dieter Bischoff orientiert sich an rechten Winkeln und mit einem ausgeprägten Raumgefühl. Ihm hilft sein phänomenales Gedächtnis. Gut 1000 Schachzüge und mindestens 500 Telefonnummern hat er parat. Neues birgt Gefahren. Der Kaktus, den Karl-Heinz anschleppt, landet auf dem Müll. Vielleicht führen die beiden so etwas wie die perfekte Beziehung? Man braucht einander. Seit 25 Jahren schiebt Dieter seinen Freund im Rollstuhl herum, Karl-Heinz navigiert. Jeder ist des Anderen Zugang zur Welt.

Bischoffs Gedächtnis hält vor allem die Bilder seiner Kindheit präsent. Die im Kopf archivierten Motive sind jahrzehntealt. Als Sechsjähriger merkt er, dass mit seinen Augen etwas nicht stimmt. Beim Versteckspiel finden ihn die Kinder immer als Ersten, obwohl er sich gut verborgen wähnt. Die Lehrer geben ihm schlechte Noten, weil er Tafelbilder nicht erkennt. Der Junge zieht sich zurück.

Der Marktplatz von Ratingen in Nordrhein-Westfalen scheint Bischoff heute wirklicher als der Heidelberger Bismarckplatz mit den für ihn lebensbedrohlichen Bussen und Bahnen. 30 Jahre hat er in Ratingen gelebt, bis er sich an der Heidelberger FH für ein Informatikstudium einschreibt, das er abschließt. Nachtblindheit diagnostizieren die Ärzte, da ist er schon 18 Jahre alt. Zugleich erkennen sie seine fortgeschrittene Rentinitis Pigmentosa, eine erbliche Augenerkrankung, die schubweise die Netzhaut von außen nach innen zerstört. Sein rechtes Auge hat die Welt abgeschaltet, sein linkes erahnt hell und dunkel.

Die Psychotricks der blinden Strategen

Am Tag vor dem Turnier auf Kreta wird sich Bischoff jene Sicherheit erarbeiten, die der Mann mit der erstaunlichen Leistungskennzahl von 2168 sogenannten Elopunkten für sein Spiel braucht. Er wird die kürzesten Wege einstudieren, Orientierungspunkte festlegen, vom Hotelzimmer in den Spielsalon, vom Tischplatz auf die Toilette. Viele Gegner erkennt er an deren Stimmen. "Hat jemand eine freundliche Stimme", sagt Bischoff, "male ich mir den Menschen schön. Das ist das Gute, wenn man nichts sieht."

Schönmalerei hat am Brett nichts verloren. Dort herrschen Feindbilder. Schon beim Händedruck spürt Dieter Bischoff, ob ein Kontrahent nervös oder übermütig ist. Manchmal glaubt er, dessen Angst riechen oder am Klappern der Figuren dessen Hektik hören zu können. Auch Geschlecht, Alter und Nationalität, wichtige Indizien für die Strategie des Gegenübers, erschließen sich Bischoff. Dass blinde Schachspieler einander freundlicher behandeln als Sehende, ist ein Trugschluss. Um den Rivalen zu entnerven, wird mal explosiv, mal einschläfernd gespielt, man trommelt auf die Tischplatte, lässt den Kontrahenten lange warten, bevor man zur Partie Platz nimmt, oder lobt zu dessen Verblüffung das Muster seiner Krawatte. Dieter Bischoff grinst. "Dass der eine trägt, weiß man natürlich von einem Sehenden." Er selbst lässt sich allzu leicht ablenken, wenn die Leute um ihn herum flüstern. "Ich glaube dann, ich müsste da zuhören."

Ausgerechnet im streng definierten Raum des Brettes erlebt Dieter Bischoff die Breite der Emotionen - Zweifel, Frust, Hoffnung. Auch Freude, manchmal bis ihm die Tränen laufen. Im Koordinatensystem von A(nna) bis H(ektor), eins bis acht, entfaltet sich Bischoffs Charakter. Er sagt, Schach habe ihn selbstbewusster gemacht, das Gefühl, ein ewiger Verlierer zu sein, aus dem Kopf vertrieben. "Ich weiß nicht", sagt er, "was ohne Schach aus mir geworden wäre."

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Am 27. Juni 2011 schreibt Anton Lindenmair an TeleSchach:

Sehbehinderter Brettspieler (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.06.2011)

  • Zeitungsartikel von Nadine Schulz über den sehbehinderten Brettspieler Gert Schulz
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    Am 19. November 2013 schreibt Anton Lindenmair an TeleSchach:

    Schachmatt (Quelle: Ulrich Marx - Offenburger Tageblatt vom 14.11.2013)

  • Ein lehrreiches Video zum Thema Blindenschach auf Mittelbadische-Presse.tv von Melvin Raschke.


  • © 8.96 by Gerhard Hund Update 19.11.2013